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Kultur folgt der Struktur

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Larman‘s Gesetze über das Verhalten von Organisationen

Agile Transformationen sind nur dann erfolgreich, wenn sich auch die Unternehmenskultur an die Werte und neuen Formen der Zusammenarbeit anpasst. Eine Herausforderung für mittlere und große Organisationen.

Wie kann diese Kulturveränderung gelingen?

Beim Einsatz von agilen Praktiken (agile Adoption) erlebe ich bei meinen Kunden am Anfang viele Aha-Effekte und große Freude. Das Ernten der Früchte aus dieser Arbeit erweist sich jedoch zunehmend als schwierig und immer mühsamer, weil langjährig erworbene Haltung und Verhalten der Mitarbeiter in der Organisation weiterhin kollidieren mit offener Feedback-Kultur, Fehlern als Lernchance und konsequenter Selbstorganisation in Teams.

Sichtbar wird die fehlende Kulturanpassung an offenen und verdeckten Widerständen - z.B. beim mittleren Management und auch in der Geschäftsleitung. In agilen Projekten erarbeitete Ergebnisse werden dann im Tagesgeschäft nicht weiter umgesetzt, zerredet oder gar torpediert. Schließlich kommt der ganze Transformationsprozess zum Stillstand und Agilität wird nur noch als Belastung empfunden.

Meist gibt es einzelne Leuchturm-Abteilungen in denen die Führungskräfte agile Werte und Prinzipien vorleben, doch dies reicht nicht aus, um Haltung und Verhalten in der ganzen Organisation zu verändern. Paradoxerweise entsteht durch den reinen Einsatz agiler Praktiken in einer Leuchtturm-Abteilung nur noch ein weiterer Silo im Unternehmen und noch mehr Ineffizienz, wenn sich die Strukturen nicht verändern.

Die Lösung für eine erfolgreiche agile Transformation ist rechtzeitig den nächsten Schritt zu gehen: Signifikante, sichtbare strukturelle Veränderungen.

Craig Larman, seit Jahren einer der wichtigen Vordenker in der agilen Szene, hat diese Beobachtungen sehr schön zusammengefasst. Hier sind seine fünf Gesetzmäßigkeiten über Organisationsveränderungen in deutscher Übersetzung:
1. Gesetz

Jede Organisation ist unbewusst so optimiert, dass Veränderungen vermieden werden, die den Status Quo und das Machtgefüge der mittleren Führungsebene, der operativ verantwortlichen Manager und den der Spezialisten betreffen.

2. Gesetz

Als Folge von (1), wird jede Veränderungsinitiative im Wesentlichen darauf reduziert, die neuen Begriffe so umzudefinieren oder zu überladen, dass sie eigentlich den Status Quo widerspiegeln.

3. Gesetz

Als Folge von (1), wird jede Veränderung als „zu akademisch“ oder „zu ideologisch“ abgestempelt und es wird eine pragmatische Anpassung an die lokalen Gegebenheiten eingefordert. Dies lenkt davon ab die Schwächen und den Status Quo der Manager & Spezialisten anzugehen.

4. Gesetz

Als Folge von (1), wird das Veränderungsvorhaben verändert. Falls danach einige Manager und Spezialisten immer noch fehl am Platz sind, werden sie zu „Coaches/Trainern“ für die Veränderung gemacht, was häufig (2) und (3) verstärkt.

5. Gesetz

In großen, etablierten Organisationen folgt die Kultur der Struktur. In kleinen, jungen Organisationen folgt die Struktur der Kultur.

Craig Larman ausführlicher zum 5.Gesetz:

In großen etablierten Gruppen folgen Kultur/Verhalten/Haltung den Änderungen im Organisations- System und Design und werden von diesen beeinflusst. Wenn du wirklich die Kultur, Haltung und Verhalten ändern willst, musst du anfangen das Organisationsgefüge/die Struktur zu ändern, sonst verändert sich die Kultur nicht wirklich. Anders gesagt: Das Organisationssystem hat einen starken Einfluss auf Haltung und Verhalten.
Strukturveränderungen betreffen:

  • Abteilungen
  • Teams
  • Rollen
  • Verantwortlichkeiten
  • Hierarchien
  • Karrierewege
  • Regeln
  • Leistungsmessung
  • Belohnungssysteme
John Seddon, ein Vertreter des systemischen Denkens hat beobachtet:

Der Versuch die Kultur einer Organisation zu verändern ist töricht und scheitert immer. Das Verhalten der Menschen (die Kultur) ist ein Ergebnis des Systems; wenn du das System änderst wird sich auch das Verhalten der Menschen ändern.

Diese Beobachtung gilt für große etablierte Organisationen. Im Gegensatz dazu ist es in kleinen Start-Ups gerade umgekehrt: Struktur folgt der Kultur. Das wahrscheinlich einfache und informelle Organisationsdesign zu Beginn spiegelt die Haltung und Kultur der kleinen Anzahl von Mitarbeitern. Sobald die Organisation größer wird, dreht es sich an einem bestimmten Punkt um und die Kultur folgt der Struktur.
Wie kann Agilität helfen?

Ansätze die ausschließlich auf „Haltungsveränderung“ beruhen, haben in großen Organisationen keine große Wirkung und sind nur von geringer Nachhaltigkeit.

Ansätze wie das agile Rahmenwerk Scrum hingegen adressieren explizit Änderungen der Organisationskultur und haben von Beginn an einen starken Fokus auf Strukturen. Sie können die Kultur schnell und nachhaltig beeinflussen, aber nur wenn die strukturellen Konsequenzen für die Organisation auch tatsächlich umgesetzt werden.

Quelle

Craig Larman ist einer der Top 10 Vordenker zur Agilität in Unternehmen; Jahrgang 1958, Informatiker, Autor, Consultant
https://www.craiglarman.com/wiki/index.php?title=Larman%27s_Laws_of_Organizational_Behavior

Photo by Sergi Ferrete on Unsplash

Jörg Kirschbaum
Jörg KirschbaumAgile Coach, Systemischer Coach & Gestalttherapeut
Als unabhängiger Agile Coach & Scrum Master berate ich Organisationen in agilen Transitionen. Als Systemischer Coach und Gestalttherapeut unterstütze ich Führungskräfte und Privatpersonen in beruflichen und persönlichen Anliegen.

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